Pflegende Angehörige bei der Spitex anstellen

Angehörige, die Familienmitglieder pflegen, haben die Möglichkeit, sich für ihre Pflegeleistungen bei der Spitex anstellen zu lassen. Immer mehr öffentliche und private Spitex-Organisationen bieten das sogenannte «Erwerbsmodell der Angehörigenpflege» an. Wie muss man vorgehen, wenn man zu Hause Angehörige pflegt, und sich bei einem Spitex-Betrieb anstellen lassen möchte? CareInfo hat die gemeinnützige Fach-Spitex solicare gefragt.

 


Caroline Odermatt
, Leitung Pflege, solicare AG

 

Romina Hauser, Leitung Entwicklung und Innovation, solicare AG

Wie muss man als pflegende*r Angehörige*r vorgehen, um sich bei der Fach-Spitex solicare anstellen zu lassen?
Angehörige oder die pflegebedürftige Person melden sich meistens telefonisch bei uns. Nach einem kurzen Gespräch bitten wir sie, ein Formular auszufüllen mit ihren Personalien, dem geschätzten Pflegebedarf und ihrer Sozialversicherungsdeckung. Das Formular kann online oder in Papierform ausgefüllt werden. Eine Pflegefachperson von solicare, die im Falle einer Anstellung für die pflegebedürftige Person zuständig wäre, prüft die Anmeldung. Bei erfüllten Kriterien (mindestens 60min. Grundpflege pro Tag, ausreichende Deutschkenntnisse, etc.) führt sie ein unverbindliches, persönliches Erstgespräch. Wenn sowohl die Pflegefachperson als auch die Angehörige und die pflegebedürftige Person einer Anstellung zustimmen, beginnt der Anstellungsprozess (Ausstellung des Arbeitsvertrags, Anmeldung der Pensionskasse usw.).

Welche Voraussetzungen gelten für eine Anstellung?
Für Spitex-Betriebe, die den sog. «Administrativverträgen» unterstehen, galt bis im Frühling 2023, dass sich pflegende Angehörige mittels Pflegehilfekurs (120 Std. Theorie, 12-15 Tage Praktikum) für eine Anstellung qualifizieren müssen. Seit Frühling 2023 ist auch eine gleichwertige Qualifikation möglich, die innerhalb des ersten Anstellungsjahres zu absolvieren ist. Deshalb haben wir das Curriculum QualiMio entwickelt, das auf die individuellen Bedürfnisse pflegender Angehöriger zugeschnitten ist. Der Lehrgang berücksichtigt, dass die pflegenden Angehörigen die individuelle Pflegesituation und den spezifischen Privathaushalt gut kennen und dass sie oft entsprechende Fähigkeiten in die Anstellung mitbringen. Unser Ziel ist, flexible und individuelle Bildungsinhalte als Mindestqualifikation zu etablieren, indem pflegende Angehörige bedarfsgerecht für die Leistungen geschult werden, die sie tatsächlich erbringen. Mit dem QualiMio unterstreichen wir auch die Bedeutung der Administrativverträge, denen wir mit dem Beitritt zu Spitex Schweiz ab dem 1.1.2024 unterstehen.

Wie stellt solicare sicher, dass die Qualität der Pflegeleistungen erfüllt ist?
Die Pflegesituation wird mindestens einmal im Monat zusammen mit den angestellten pflegenden Angehörigen vor Ort beurteilt. Dazu gehören neben der Beobachtung des Gesundheitszustandes der:des Klienten:in und dem allgemeinen Befinden beider, auch die gemeinsame Beurteilung der einzelnen Pflegeleistungen. Die zuständige Pflegefachperson leitet die Angehörigen in der jeweiligen Situation vor Ort im Privathaushalt an und begleitet sie kontinuierlich. Sie fragt nach, wie die geplanten Pflegeleistungen umgesetzt werden und beurteilt deren Qualität. Bei Bedarf weist sie direkt auf Verbesserungen hin oder plant zeitnah eine kurze Schulung zu einem spezifischen Thema mit dem Ziel, die Pflegeleistung korrekt ausführen zu können. Neben den Besuchen vor Ort nimmt die zuständige Pflegefachperson mindestens alle zwei Wochen telefonisch Kontakt auf, um den Pflegeprozess zu besprechen sowie nach dem Befinden oder Besonderheiten zu fragen.

Wie gelingt eine gute Zusammenarbeit mit angestellten pflegenden Angehörigen und den anderen Mitarbeitenden des Spitex-Teams?
Ein Schlüsselelement ist die Beziehung zwischen der zuständigen Pflegefachperson, den angestellten Angehörigen und der zu pflegenden Person. Gegenseitiges Vertrauen und Respekt ermöglichen das frühzeitige offene Ansprechen von Belastungen und Problemen, aber auch von Potentialen. Denn pflegende Angehörige verfügen über viele wertvolle Fähigkeiten. Der regelmässige persönliche Kontakt und die Pflegedokumentation der pflegenden Angehörigen, unterstützen die Zusammenarbeit ausserdem massgeblich.

Welche Chancen bringt das «Erwerbsmodell der Angehörigenpflege» der Gesellschaft?
Der Personalmangel in der Pflege ist allgegenwärtig. Mit diesem Ansatz kann eine Pflegefachperson bis zu 40 Hände gezielt für Grundpflegeleistungen befähigen. Zudem sind unsere pflegenden Angehörigen durch die Anstellung im ersten Arbeitsmarkt tätig. Manche sind nach der Anstellung durch die gut begleitete Pflegeerfahrung im familiären Umfeld gar motiviert, eine Pflegeausbildung zu beginnen.

Das Interview mit der Fach-Spitex solicare wurde schriftlich geführt. solicare ist derzeit die einzige gemeinnützige Fach-Spitex für pflegende Angehörige. Sie ist aktuell in 15 deutschschweizer Kantonen und in einem Kanton der Romandie vertreten. Weitere Informationen sind unter «www.solicare.ch» zu finden. Neben solicare bieten auch andere private und öffentliche Spitex-Betriebe die Anstellung pflegender Angehöriger an. Die Spitex-Organisationen entscheiden autonom, ob sie pflegende Angehörige anstellen möchten. Sie sind nicht dazu verpflichtet. Allfällige kantonale Vorgaben sind bei der Anstellung pflegender Angehörigen zu berücksichtigen.

Weitere Informationen:
«Positionspapier der Spitex Schweiz zur Anstellung pflegender Angehörigen».
«Empfehlung des Spitex Verbandes Kanton Zürich» zur Anstellung von pflegenden Angehörigen.
Im Rahmen des Forschungsprojekts der Careum Hochschule für Gesundheit «work&care integra: Anstellung von pflegenden Angehörigen bei der Spitex», ist ein Manual und ein Kalkulationstool entstanden, dass Spitex-Betrieben und pflegenden Angehörigen als Orientierungshilfe bei einer Anstellung hilft. Informationen darüber finden Sie «hier».
«Stellungnahme der Interessengemeinschaft Angehörigenbetreuung (IGAB) zur Anstellung pflegender Angehörigen».



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